St. Martin ist, nach Michaeli im September, das zweite der insgesamt drei Lichterfeste (Michaeli, St. Martin und St. Nikolaus) die bildhaft auf den Höhepunkt, das Weihnachtsfest hinarbeiten. Obwohl ich den dunklen Winter überhaupt nicht mag, ist St. Martin eins meiner Lieblingsfeste im Kinderjahr.
Da St. Martin dieses Jahr auf einen Sonnabend fiel, beging der Kindergarten und die Schule das Fest bereits am Freitag. Beide Mädchen, H. wie A., hatten dazu schon seit Wochen Proben mit ihrer Kindergartengruppe bzw. Klasse für kleine Stücke, die sie den Eltern vor dem Laternenumzug zeigten. Seit Wochen schlichen wieder die Zwerge musikalisch durch das Haus, teilte Martin mit dem frierenden Bettler seinen Mantel und zeigte ihm so sein Mitgefühl.
Im zweiten Jahr stehen in der Schule die Fabeln im Vordergrund. Fleißig übte die Klasse hier mit viel Spaß die Fabel vom Fink und Frosch sowie vom Fuchs und Rabe ein. Beide Fabeln trug die Klasse vor ihrem Laternenlauf den Eltern vor. Dabei war der schlaue Fuchs die Hauptrolle, die jedes Kind gerne spielen wollte. Der Fuchs der den Raben mit seinem Käsestück im Maul, Lob über seinen Gesang wie Honig ums Maul schmiert, damit dieser doch endlich das Stück Käse fallen lässt. Beide Fabeln kann H. auswendig im Schlaf. Sie erzählt sie einfach nebenher, als ob das nichts anderes als eine Floskel ist, die sie jeden Tag fünfmal verwendet! Ich bin neidisch auf diese kindliche Fähigkeit. Sie saugt diese Fabeln einfach auf wie ein trockener Schwamm Wasser aufsaugt! Am Ende war H. übrigens der Frosch, den sie sehr gewissenhaft spielte – vor allem die zwanzig Purzelbäume!
Im Kindergarten darf noch die ganze Familie die Kinder während des Laternenlaufs begleiten, der Zug endet hier an der Zwergenburg die, von den Kindern an den Tagen zuvor im Sandkasten mit Liebe und Hingabe erbaut, nun mit kleinen Lichtsternen erleuchtet ist. Ehrfürchtig stehen die Kleinen dann davor, suchen die Zwerge, die sich hinter manchen Lichtern versteckt haben und freuen sich über die selbst gebackenen Brötchen, die mit den besten Freunden geteilt werden.
In der Schule läuft die Klasse nur mit der Lehrerin, auch laufen sie später, damit es wirklich richtig dunkel ist und über Wege, die nicht beleuchtet sind, die Klasse soll erkennen, dass die Lichter zusammen heller sind, jeder für sich aber trotzdem scheint. Die Eltern, die in der Zeit am Feuerkreis warten, sind das Ziel.
Seitdem H. auf der Welt und groß genug ist, besuchen wir Laternenumzüge und Martins-Gottesdienste. Ich gebe zu, mittlerweile wähle ich die Laternenumzüge genau aus. Wir waren nur einmal, im ersten Jahr nach unserem Umzug nach Hannover, auf einem sogenannten „Lichterfest“. Das war schon Ende September und hatte so gar nichts mit dem Martinsfest zu tun. Es war schön, für das, was es war, aber es war weder kalt noch dunkel und es waren massenhaft Leute dabei.
Neben den Laterenumzügen der Schule und des Kindergartens waren die schönsten St. Martin-Umzüge die im Berliner Umland. Vor dem Laternenlauf gab es einen Kindergottesdienst, bei dem die Martinsgeschichte von Kindern nachgespielt wurde. Der Umzug wurde anschließend von einem „echten“ Martin auf einem Pferd angeführt. Zusätzlich spielte ein Spielmannszug vorneweg und hintenan fuhr eine Feuerwehr. Wir hatten auch ein Jahr, wo wir uns absichtlich so weit zurückfallen ließen, damit wir ja genau vor der Feuerwehr laufen konnten! Das Ziel aller Umzüge war immer ein großes Feuer um das sich der Umzug am Ende versammelte und sich warme Getränke und Martinswecken teilte.
Ich mag solche Traditionen, nicht nur verbinden die Kinder mit den Jahreszeiten bestimmt Feste, sondern auch Gefühle. Zu St. Martin verspüren sie auch immer schon ein bißchen Vorfreude die wie Brausepulver im Bauch blubbert, wenn die Laternen aus dem Keller geholt werden, eine neue Kerze eingesteckt wird und wenn sie diese Laterne dann ehrfürchtig, noch ohne Licht, zum Umzug tragen, damit sie ja nicht kaputt geht. Das Wichtigste ist jedoch der Moment, wenn die Kerze dann angezündet wird, das Licht anfängt zu leuchten und mit den Kinderaugen um die Wette strahlt. Dann schauen die jüngeren Geschwister respektvoll zu den älteren und deren Lichtern mit dem Feuer auf, sehnlichst darauf wartend nächstes Jahr auch eine eigene Laterne tragen zu dürfen. Auf das auch ihr Licht scheinen möge!